Quo vadis Mobilität – was wird in 20 Jahren unsere Mobilität antreiben? (Teil 2 von vorerst 2 …)
Werden Fahrzeuge aus Stromspeichern, mit Wasserstoff, mit synthetischem Gas, mit E-Fuels oder mit einem Mix aus allem angetrieben? Werfen wir eine Blick auf für und wider…
Das batterieelektrische Fahrzeug, ein Meister der Effizienz …
Fahrzeuge mit Stromspeichern – das batterieelektrische Fahrzeug (BEV) – darf man im aktuellen Diskurs als DAS typische Elektroauto bezeichnen. Der Akkumulator speichert Energie über einen Ladevorgang ein. Diese elektrische Energie zum Antreiben der Elektromotoren ist bereits in nutzbarer Form vorhanden, sodass nur mehr eine sehr effiziente Aufbereitung des Gleichstroms aus dem Energiespeicher in frequenzvariablen Drehstrom zum Antrieb der Elektromotoren erfolgen muss. Diese Transformation ist so verlustarm, dass die normale Abwärme aus Leistungselektronik und Batterie im Normalbetrieb für eine Heizung des Fahrgastraums in der kühleren Jahreszeit völlig ungenügend ist. Nach heutigem Komfortverständnis, aber natürlich auch aus Gründen der Verkehrssicherheit muss also in sehr vielen Fahrsituationen aktiv geheizt oder gekühlt werden und somit zusätzliche Energie aus dem Akkumulator entnommen werden. Begrenzende Verluste entstehen vor allem innerhalb des Akkus bei hohem Stromfluss in oder aus dem Energiespeicher (also beim Schnellladen und Rekuperieren bzw. bei hohem Leistungsbedarf wie Beschleunigung, Bergfahrt und Anhängerbetrieb). Der aktuelle Trend, leistungsstarken Elektromobilen zugleich Akkumulatoren mit möglichst großer Kapazität zu spendieren ist also nicht nur dem Thema Reichweite, sondern vor allem auch dem Bedarf geschuldet, die gewünschte hohe Leistung überhaupt aus dem Energiespeicher entnehmen zu können. Nicht zufällig wird eines der größten Augenmerke heutiger Entwicklungen am BEV auf Batteriekonditionierung gelegt. Die Kühlung und auch Heizung von Batterien kostet zwar Energie, hält diese aber in ihrer Temperaturwohlfühlzone, um genug Energie speichern zu können. Und das sollte über möglichst viele Ladezyklen, über eine möglichst lange Zeit hinweg und bei möglichst geringen Einbußen in der Speicherfähigkeit sichergestellt sein. Niemand möchte sich die rasche Alterung des Akkus in seiner elektrischen Zahnbürste im selben Ausmaß an der teuren Traktionsbatterie seines Elektroautos vorstellen. Damit gelingt der Übergang zu den wohl signifikantesten Einschränkungen der Batterietechnik:
Akkumulatoren sind im Verhältnis zur darin speicherbaren Energie sehr groß, sehr schwer, sehr teuer und sie werden im Laufe ihrer Verwendung schlechter.
Ein heutiger Benchmark, die Traktionsbatterie des Porsche Taycan Turbo S, basiert auf der Lithium-Ionen-Technik, wiegt rund 650kg und speichert nutzbare 84kWh. Anders als so mancher Ponton vergleichbarer Größe ist dieser Energiespeicher in der Lage seine insgesamt 560kW starken Elektromotoren auch über längere Zeit mit der voller Leistung zu beliefern, ohne zu überhitzen. Dass bei einem hypothetischen Langstreckenrennen auf der legendären Nürburgring Nordschleife der Elektrosportwagen zwei Runden in rund 15min abspulen könnte ist sehr beeindruckend. Danach muss das Fahrzeug aber für mindestens 20min an die Schnellladestation in die Box. Die benzinbetriebene Konkurrenz in unserem fiktiven Rennen bleibt ganze acht (!) Runden auf der Rennstrecke, bevor sie in nur zwei Minuten nachtankt und damit Energie für die nächsten acht Runden „aufladen kann“.
Dieses praxisfernere Beispiel zeigt uns: So gut die Umsetzung der mitgeführten Energie auch erfolgt, so herausfordernd ist das „schnelle“ Nachladen, wenn die Energie aufgebraucht ist. Folgen wir den aktuellen Erkenntnissen, dann werden in den nächsten Jahren Traktionsbatterien serienreif, welche uns „Diesel-typische“ Reichweiten bei vergleichbarem Gewicht von heutigen Akkus liefern werden.
Dass man einen so großen Akku an der Wallbox zuhause vor der Langstreckenfahrt rund 24h voll aufladen wird müssen. Stärkere Normalladegeräte mit 22kW statt 11kW klingen vielversprechend, aber bei der gegebenen durchschnittlichen Anschlussleistung eines Einfamilienhauses muss man sich während des Ladevorgangs des Autos mit kalter Küche begnügen und hoffen, dass die Wärmepumpe im Haus nicht anspringt…
Gerade für Personenkraftwagen stellt sich daher ab einem bestimmten benötigten Energiebedarf und der damit erforderlichen Ladedauer beim Normalladen dieselbe Frage wie für alle andere energieintensive mobilen Anwendungen von Baumaschinen über Lastkraftwagen bis hin zu Schiffen und Flugzeugen => ist hier ein eigenes kleines leichtes Kraftwerk an Bord zum Laden der Batterie oder ein alternativer Antrieb für direkte Traktion nicht sinnvoller?
Auch wenn die batterieelektrischen Fahrzeuge in 20 Jahren einen sehr großen Anteil unseres individuellen Mobilitätsbedürfnisses abdecken können, ist es mindestens ebenso wichtig gleichzeitig Alternativen mit aufzubauen! Ist Wasserstoff die Lösung?
Wasserstoff produziert aus erneuerbaren Energien ist ein möglicher Energieträger. Durch Elektrolyse aus Überschussstrom an windstarken oder sonnigen Tagen lässt sich diese elektrische Energie chemisch in Form von Wasserstoff speichern und sogar über ein dem heutigen Erdgasnetz vergleichbaren oder umgerüsteten Netz verteilen. Ist Wasserstoff erst einmal im Fahrzeug getankt, lässt er sich über eine Brennstoffzelle direkt in Strom verwandeln, würde sich aber – und das ist weit weniger bekannt – auch hervorragend als Kraftstoff für Verbrennungsmotoren eignen. Der Fokus in der Entwicklung als PKW-Antrieb liegt derzeit auf Niedertemperaturbrennstoffzellen, welche sich gut für Fahrzeuge eignen und Wasserstoff mit akzeptablen Verlusten wieder in Strom zurückverwandeln. Jede Mischung des Wasserstoffs mit einem anderen Gas ist dabei jedoch problematisch. Daher muss der Wasserstoff vorher gereinigt bzw. die für die Brennstoffzelle ungeeigneten Gase zumindest über einen Reformer in Wärme umgewandelt werden. Die Effizienz dieser Energieumwandlung ist einem reinen batterieelektrischen Fahrzeug eindeutig unterlegen. Zwar sind die Verluste in Niedertemperaturbrennstoffzellen im unteren Lastbereich ausgesprochen gering, nehmen jedoch bei zunehmender Leistungsdichte deutlich zu. Zudem reagiert eine Brennstoffzelle nach heutigem Verständnis sehr träge auf Laständerungen, sodass ein Fahrzeug mit diesem Antrieb immer eine Kombination mit einem batterieelektrischen Antrieb sein wird. Die Brennstoffzelle ist also ein mitgeführter Generator, der aus getanktem Wasserstoff, Strom zum Laden einer kleineren Traktionsbatterie bereitstellt.
So interessant das System Wasserstoff und Brennstoffzelle wirkt, zeigen sich dabei auch Nachteile, deren technische Lösung über die Verbreitung dieser Technologie im Fahrzeug entscheiden wird. Eine maßgebliche physikalische Grenze ist die Speicherdichte. Betrachtet man das benötigte Volumen des Tanksystems und die Effizienz der Brennstoffzelle, so ist die volumetrische Speicherdichte pro nutzbarer Kilowattstunde elektrischer Energie aus Wasserstoff den zu erwartenden Speicherdichten von künftigen Batteriegenerationen höchstens ebenbürtig => der Sinn und die Verhältnismäßigkeit für den Aufwand darf also hinterfragt werden…
Klimaneutrale Kraftstoffe dürfen beliebig viel Kohlenstoff enthalten, solange dieser regenerativ gewonnen wurde – sind E-Fuels und Biokraftstoffe die Lösung?
„Dekarbonisierung“ ist eigentlich ein viel zu enger Tunnelblick auf die notwendige Technologierevolution – aus Sicht des Klimaschutzes dürfen wir sehr wohl CO2 emittieren, wenn wir dieses zuvor aus der Atmosphäre genommen haben. Plakatives Beispiel für einen solchen klimaneutralen Energieträger ist Holz. Während des Wachstums bindet ein Baum CO2 aus der Atmosphäre und nutzt dieses um Holz „zu produzieren“. Verbrennt man dieses Holz, gelangt lediglich jenes CO2 wieder in die Atmosphäre, das schon einmal dort war – mit diesem wächst dann der nächste neu gepflanzte Baum usw.. Im Prinzip erledigt der Wald biologisch jenen Prozess, der – realistisch betrachtet – in 20 Jahren wohl auch von uns Menschen künstlich verstärkt werden muss: In großem Maßstab Kohlendioxid aus der Atmosphäre filtern.
Biomasse als Basis für die Herstellung von flüssigen Kohlenwasserstoffen für Industrie und Verkehr wird – unter regional sehr unterschiedlichen Voraussetzungen – einen wichtigen Beitrag leisten. Die produzierbare Menge an Biokraftstoffen ist jedoch bei nachhaltiger Bewirtschaftung der Kulturflächen ohne Konkurrenz zu Nahrungsmitteln begrenzt. Dem gegenüber scheint aus heutiger Sicht eine vollkommen synthetische Herstellung von flüssigen Kraftstoffen aus Strom – E-Fuels – global betrachtet nahezu beliebig skalierbar. Der europäische Überschussstrom aus erneuerbaren Energien wird auch in 20 Jahren kaum ausreichen, um mit daraus produziertem Wasserstoff unseren Bedarf an nicht-Strom-Energie in Industrie und Verkehr zu decken. Es wird also Bedarf an Energieimporten geben – und gerade hierbei schlägt die niedrige volumetrische Energiedichte von Wasserstoff noch deutlicher negativ zu Buche als bei der Speicherung im Fahrzeug. Natürlich wird man Anlagen zur Wasserstoff-Elektrolyse aus erneuerbaren Energien aus wirtschaftlicher Sicht global in bevorzugten Regionen betreiben, um durch gute Auslastung möglichst günstig zu produzieren. Aber nicht jede dieser Regionen für Solar-, Wind- oder Wasserkraft ist aber auch in Reichweite einer sinnvoll einsetzbaren Pipeline. Darum bietet sich durch eine nachgeschaltete Synthese mit dem aus der Atmosphäre entzogenem CO2 die Möglichkeit, den Wasserstoff aus der Elektrolyse z.B. zu flüssigem Methanol zu verarbeiten. Nutzt man die Synergien und realisiert Dampf-Elektrolyse durch Abwärme aus der Synthese, lassen sich vor allem bei Methanol sehr gute Wirkungsgrade in der Herstellung von flüssigen Kraftstoffen erzielen [2]. Und ein flüssiger Kraftstoff lässt sich mit Pipelines und – viel wirtschaftlicher als Wasserstoff – auch mit Schiffen transportieren. Synthetisch erzeugte Kohlenwasserstoffe als Rohstoff, ergänzt um klimaneutrale Kohlenwasserstoffe aus nachhaltiger Biomasse, sind Basis für die chemische Weiterverarbeitung. Die Verfahrenstechnik zur Verarbeitung von klimaneutralen Kohlenwasserstoffen unterliegt dabei vergleichbaren Rahmenbedingungen wie für fossiles Rohöl. Man erhält ein nur in gewissen Grenzen steuerbares breites Spektrum an Kohlenstoff-Wasserstoff-Verbindungen die von Benzinen, über Flugzeugkraftstoffen und Dieselölen bis hinauf zu hochsiedenden Wachsen als Ausgangsprodukten für die chemische Industrie reichen. Wenn man also Methanol oder davon direkt abgeleitete Derivate im Verbraucher nicht direkt nutzen kann, gelingt es kaum selektiv nur bestimmte flüssige Kraftstoffe, z.B. nur für Flugzeuge oder Schiffe, herzustellen. Das ist aber auch gut so, denn bedient man sich dem heutigen deutschen PKW-Bestand [5] für eine Prognose, dann …
…werden 2040 noch mindestens 20% der betriebenen Fahrzeuge bereits heute oder spätestens in 4 Jahren auf unseren Straßen unterwegs sein …
…und nach konventionellen, aber klimaneutralen Kraftstoffen bedürfen. Ob Methanol, Ammoniak, Dimethylether, synthetisches Methan oder auch den heutigen Kraftstoffen ähnliche klimaneutrale Derivate – sie alle hebt von wasserstoffbetriebenen und batterieelektrischen Systemen die für mobile Anwendungen essentielle hohe Energiespeicherdichte ab. Trotz des im Vergleich zu batterieelektrischen Fahrzeugen bescheidenen Umsetzungswirkungsgrads ermöglichen sie viel Energie mitzuführen und ebenso einfach wieder nachzufüllen – dies gilt insbesondere für flüssige E-Fuels.
Die in Teil eins zitierte Studie [1] des deutschen Umweltbundesamts hilft für ein Resümee in zweierlei Hinsicht.
Erstens, mit heutigen Zahlen eine verlässliche Prognose abzugeben ist schwierig, da sie in nur wenigen Jahren komplett überholt sein können, aber…
…zweitens, bei heutigen Kosten kaum zu glauben, wird das batterieelektrische Fahrzeug mit MODERATER Reichweite die günstigste klimaneutrale Form des Individualverkehrs und auch für viele Formen des Berufsverkehrs sein. Höhere Herstellkosten werden dabei durch niedrige Betriebskosten überkompensiert. In der Studie des Umweltbundesamts sind synthetische Flüssigkraftstoffe im betrachteten Mix aus Herstellung und Betrieb an zweiter Stelle gereiht. Erst dahinter finden sich synthetisches Methan und als Letztes Wasserstoff. Trotz konkurrenzfähiger Kraftstoffherstellungspreise treiben bei gasförmigen Kraftstoffen u.a. die Tanksysteme die Kosten nach oben, sodass kein Vorteil erzielt werden kann.
Im aktualisierten 1.5°C-Erwärmungsszenario [4] müssten wir im Jahr 2040 bereits 3 Jahre lang klimaneutral sein … aber nur, wenn wir unmittelbar beginnend und kontinuierlich fortführend den Ausstoß an Treibhausgasen reduzieren! Ausschließlich auf das Elektroauto bei Neuwagen zu setzen, wird uns ohne weitere klimaneutrale Angebote für die Bestandsflotte und künftige Anwendungen mit hohem Energiebedarf im Verkehrssektor deutlich am Ziel vorbeischießen lassen! Inwieweit daher ein Zwang zum Wechsel auf Elektroautos sinnvoll ist, darf hinterfragt werden – bei einer Steuer-Lenkung entgegen fossilen Kraftstoffen würden letztendlich die Fahrzeugbetreiber ohnehin zur für sie wirtschaftlichsten Variante wechseln wollen. Eines muss jedem Fahrzeugbetreiber aber klar sein – so „billig“ wie heute Rohöl für fossile Kraftstoffe aus der Erde gepumpt wird, wird im Jahr 2040 keine der Alternativen für Mobilität sein.
Lesen sie mehr dazu im ersten Teil …
Interessante Literatur dazu:
[1] … „Sensitivitäten zur Bewertung der Kosten verschiedener Energieversorgungsoptionen des Verkehrs bis zum Jahr 2050“, Abschlussbericht, deutsches Umweltbundesamt 2019
[2] … „Energiespeicher“, M. Sterner, I. Stadler, 2. Auflage Springer Verlag 2017
[3] … “Well-to-Wheel A Comparison of Propulsion Systems”, Eberhard Schutting, Josef Ratzinger, Helmut Eichlseder, Technische Universität Graz, Eco-Mobility Konferenz Wien 10/2016
[4] … „Klimakraftstoffe“, Prof. Garbe, Volkswagen AG & Hochschule Coburg, Gastvortrag beim österr. Verein für Kraftfahrzeugtechnik 02/2021
[5] … „Bestand an Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern nach Fahrzeugalter“, FZ15, Stand 1. Januar 2020, deutsches Kraftfahrbundesamt