Fehleinschätzungen und vorschnelle Schlüsse – oder: über die Objektivität eines Experten sich selbst gegenüber

Klimawandel, Coronavirus … kaum trafen in der Vergangenheit öffentlich namhafte Experten mit so kontroversen Stellungnahmen aufeinander wie heute – aber warum?

Das Beiziehen von Experten kann äußerst wertvoll sein, um von Vermutungen oder Mutmaßungen zu Sachverhalten zu kommen.

Unabhängig davon, ob es sich dabei um technische Entwicklungen, wirtschaftliche Einschätzungen, medizinische Diagnosen oder vollkommen andere Bereiche handelt, erwartet man von einem Experten eine möglichst verwertbare Dienstleistung.
Experten haben in ihrem Fachgebiet eine fundierte Ausbildung und Erfahrung und sind vor allem in der Lage beides entsprechend anzuwenden. Dabei gibt es geschlechtsneutral gesehen zwei sehr unterschiedliche Charaktere:
Den puren Spezialisten … dieser Experte hat einen wesentlichen Teil seiner Ausbildung und auch seine Erfahrung in einem speziellen Teil seines Fachgebiets erworben und wendet seine Fachkunde auch ausschließlich in diesem Bereich an. Auch die Fort- und Weiterbildung konzentriert sich üblicherweise auf das fachliche Kerngebiet. Vorteil: Spezialisten können für die meisten Problemstellungen auf Erfahrung zurückgreifen und haben ein Repertoire an erprobten Lösungen zur Verfügung. Die erworbenen Hintergrundinformationen in diesem Spezialgebiet gehen manchmal deutlich über den in der Fachliteratur dokumentierten Stand hinaus. Dieses hochspezialisierte Wissen kann sich aber auch negativ auswirken – vor allem dann, wenn eine Problemstellung Neuland erschließt oder eine unkonventionelle Lösung erfordert. So verlässlich erprobte Lösungen auch sind – das Risiko eine individuelle Eigenheit einer Problemstellung zu übersehen ist gegeben.
Der zweite Charakter ist der universelle Experte … auch er hat eine fundierte Ausbildung und viel Erfahrung in seinem Fachgebiet erworben. Er sieht sich jedoch in der Lage, dieses Wissen auch in verwandten Themengebieten und bei neuartigen Problemstellungen anzuwenden.

Interessanterweise sind es aber weniger die fachlichen Fähigkeiten, sondern vielmehr die berühmten Soft-Skills, die es einem Experten erlauben kompetent über den Tellerrand zu schauen!

Viele Spezialisten unterschätzten den Übergang aus ihrem Kerngebiet heraus, hin zu einer anderen Problemstellung. Vor Fehleinschätzungen ist kein Experte gefeit, aber nichts ist verheerender als voreilige Schlussfolgerungen! So unlogisch es klingt, aber der „Sofort-und-Alleswisser“ kann unmöglich alle Aspekte einer Problemstellung berücksichtigen. Schlimmer noch: Er wird sich – bewusst oder unbewusst – hauptsächlich auf seine schnellen Schlüsse konzentrieren und sich vor allem unter Kritik darauf versteifen.
Ein breiter aufgestellter Experte braucht daher neben Lernwilligkeit und Kooperationsbereitschaft vor allem eine ausgeprägte Fehlerkultur. Nur wer bereit ist, seine jahrelang erworbenen Kenntnisse regelmäßig zu hinterfragen, zu erweitern und gegebenenfalls sogar auch so manches selbsterarbeitetes Dogma zu revidieren, wird selbstbewusst und trotzdem mit ausreichend Respekt an neue Aufgaben herangehen oder andernfalls rechtzeitig Grenzen ziehen.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Gefragter Spezialist auf einem Gebiet zu sein, schließt universelle Expertisen keinesfalls aus. Im Gegenteil: Das Schärfen der zuvor genannten universellen Eigenschaften hilft auch, das eigene Spezialgebiet aus anderen Blickwinkeln zu sehen um sein Wissen zu erweitern!

Damit zurück zu den „Expertenrunden“ rund um Klimawandel und Pandemie…

Es wird keinen Spezialisten für alle Aspekte des Klimawandels in einer Person geben. Noch weniger wird dies rund um die Covid-Pandemie möglich sein, da zum einen der Virus zu jung ist, um jahrelange Erfahrung damit aufzubauen und zum anderen die Auswirkungen der Pandemie auf die gesamte Bevölkerung zu vielseitig sind.
Für beide Beispiele werden Ökonomen, Biologen, Mediziner, Mathematiker, Techniker und Experten vieler anderer Fachgebiete zu sehr unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen und jede daraus resultierende Lösung ist ein Kompromiss. Fest steht bei diesen Beispielen hingegen nur eines – wer auch immer behauptet die alleinige Lösung zu haben, liegt mit großer Wahrscheinlich nicht richtig!

Namhafte Experten versteifen sich in der Öffentlichkeit auf ihre Einschätzung und verwirren damit den Beobachter durch das Aufeinandertreffen vieler gegenteiliger Aussagen.

Jeder Experte präsentiert dabei seine Einschätzung mit voller Überzeugung mehr oder weniger glaubhaft und wissenschaftlich hinterlegt. Dass gerade in diesen beiden Themenbeispielen ein außergewöhnlich dynamischer Kenntniszuwachs herrscht und viele in der Vergangenheit erstellte Expertisen unter neueren Rahmenbedingungen einfach nicht mehr repräsentativ sind, wird dabei ignoriert.
Eine umfassende Betrachtung aus vielen Perspektiven ist notwendig, aber Stolz, Eitelkeit, vorschnelle Schlüsse und aus Fakten nur Rosinen herauspicken – das sind wohl die schlechtesten Zutaten für verlässliche Expertisen …

Kontakt

Dipl.-Ing. Dr.techn.
Dieter Messner

Zivilingenieur für Maschinenbau
Allgemein beeideter und gerichtlich
zertifizierter Sachverständiger

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